Sonntag, 11. Januar 2009

Aristoquakes berichtet

Nachdem Madam geendet hatte
Warf Aristoquakes zur Debatte
Ungeduldig drängend ein:
„Und das wollen Literaten sein“?

Aufbrausend und mit Zorn im Ton
Schrie er, „ich hab genug davon.
Die Leute sind all zu bequem.
Kein Wort dazu von alledem
Was verschlüsselt, gut versteckt,
Im alten Epos wirklich steckt“.

Und dann, auf Homer bezogen,
Spannte er perfekt den Bogen.
Machte den Kollegen das bekannt,
Was bisher ward noch nicht genannt.

„Als ich“, begann er, „einst in Delphi war,
Erstand ich im dortigen Basar,
Ein Gipsrelief das mir gefiel.
Im antiken Fälscherstil
War das Werk in seiner Pracht
Für Touristen nachgemacht.

Der für Touristen angefertigte Abklatsch
der Homerapotheose

Zweihundert Mark musste ich blechen.
Kostenlos war das Versprechen,
Dass das gute Stück wär’ echt.
Ich dacht, - ach was, das gönn ich mir-
Und nahm es mit als Souvenir.
Betrogen wurd’ ich kunstgerecht.
Es war gefälscht, sie wissen schon,
Eine gut gemachte Imitation,
Aus Gießgips billig nachgegossen
Was antiker Hand entsprossen.

Ich ahnte nicht was drauf zu sehen!
Der Name Homer war’s der mich reizte,
Und machte, dass ich nicht lang geizte.
Zufrieden habe ich gedacht,
Dass ein Schnäppchen ich gemacht.
Erst heute kann ich es verstehen,
Und so langsam auch ermessen,
Welch ein Kleinod ich besessen.

Beim Stöbern, im Winter letztes Jahr,
Fand ich das Ding. Mir wurde klar.
„Da hat man dich dereinst beschissen“.
Ich hab es auf den Müll geschmissen.


Damit all das, was ich besessen,
Nicht wurd für immer ganz vergessen,
Hab ich schnell noch mit Bedacht,
Ein Foto mir davon gemacht.

Als ich nun kürzlich Wölke las,
Und mein Relief dort wieder fand.
Fiel mir ein, dass ich besaß
Das Foto noch. Ich nahm’s zu Hand.
Stellt euch vor, was ich dort sah!
-In der Homerapotheose.
Dargestellt in Apokryphia,
Eines Frosches Metamorphose.

Ich habe nach dem Negativ
Zeichnungen sofort gemacht.
Sie beweisen exklusiv,
Was der Schöpfer einst gedacht,
Der das Relief im Original,
Als unveränderliches Mal
In Marmorstein hat einst gehauen.

Dass selbst Steinen man nicht trauen
Kann, wenn es um den Glauben geht,
Beweist mein Bild. Ich habe Recht.
Das Original war auch nicht echt.

Was uns Archelaos da servierte,
Ist, wenn ich den Blick zum Vorhang senke,

Das Souvernier aus Delphi

Etwas, das er selbst kopierte,
Und verfälscht hat, wie ich denke.


Ich weise im Zusammenhang
Auf Ludwich hin, der das schon lang
Ahnte: „Stimmt das Herr Konträr“?
„Ja, dass ne Kopie das Kunstwerk wär,
Schrieb Ludwich Seite fünfzehn schon“,
Sprach der darauf in barschem Ton.

Das ist der Kasus, der beweist,
Dass der Papst in Rom so dreist
War und das Original ließ schleifen.
Um die Katholen einzuseifen
Ließ er einst in Glaubenssachen
Eine Fälschung für sie machen.

Meine Bildserie beweist:
Dort wo man Homerus preist,
Ist der Vorhang aufgezogen.

Im Gegensatz zur Zeichnung von Battista Galestruzzi
ist der Vorhang auf dem Relief aufgezogen und nicht
über die gesamte Reliefbreite geschlossen

Rechts von des Dichters Ellenbogen,
Hängt eine Tafel an der Wand.
Was darauf geschrieben stand,
Habe ich herausbekommen
Als einen Spiegel ich genommen.

Im Marmorstein, seitenverkehrt,
Wurd’ eine Inschrift mir beschert.

Die Homerapotheose auf dem Relief des
Aristoquakes

Ich traute meinen Augen nicht:
Ein Hinweis auf Homers Gedicht!
Es schien mir beinah wie Magie!
„Es war die Batrachomyomachie“.

Es war die siebte Strophe nur,
Die als steinerne Gravur
In den Marmor ward geschlagen.

Was wollte der Künstler damit sagen?
Meine These geht dahin;
In den Zahlen steckt der Sinn!

Das steht schon in der Kabbala.
Und weiter liest man ebenda;
Dass besonders mit der Sieben,
Was geheim ist, wird umschrieben.

Die Sieben, so meine Prognose,
In der Homer-Apotheose
Ist mehr als nur ein Querverweis
Auf jenen Zahlen-Zauberkreis,
Der, wenn er recht wird ausgezählt,
Den Kern uns aus der Hülse schält.

Und dann hat weiter er gesponnen:
Der Siebencode wurde einst ersonnen,
Weil ohne ihn wir hilflos wären,
Uns die Bibel zu erklären.


Damit sind wir beim Bild erneut.
Wir stellen fest dort hocherfreut:
An sieben Säulen angehangen,
Der Vorhang an den Vorhangstangen.
In Siebenzahl auch die Personen.


Links sehen wir Homerus thronen.
Zu seinen Füßen Frosch und Maus.
Was machen die dort? Ei der Daus,
In der Bücherrolle lesen sie.
Es ist die Batrachomyomachie.

Der Papst, so denk ich unverhohlen,
Hat Archelaos* anbefohlen,
Nachdem man ihn drauf hingewiesen,
Den offenen Vorhang schnell zu schließen.

Den Hinweis auf den Froschmäusekrieg,
So dacht der Kirchenfürst gerissen
Den Schafen besser man verschwieg.
Die Herde musste ja nicht wissen
Was nur der Klerus wusst in Rom
Nebst dem Chef im Petersdom,
Dass nämlich all die neuen Riten
Abstammten von den Batrachiten,
Welche in ziemlich großer Zahl
Ins Land sich drängten dazumal.

So kam es zu dem Plagiat.
Doch die Kunstverfälschungstat
Flog später dann im Zeitenlauf
Durch ein Tilgungsversäumnis auf.
Der Plagiator hatte vergessen,
Als er den Mythos sollt entkernen,
Auch die Tierchen zu entfernen
Die zu des Dichters Füßen saßen
Und in dessen Schriften lasen.

So blieb der Froschglauben der alten
Ägyptern hier noch lang erhalten.

Galestruzzi* unterdessen
Fertigte mit spitzem Strich,
Vom Marmorkunstwerk einen Stich
Und auch im Werk von Pacetti* waren,
Er hatte keine Grund sie auszusparen,
Die beiden Tierchen Frosch und Maus
Gezeichnet säuberlich, zu Haus.

Doch in den Bildern von dem Stein,
Die Päpste sind ja so gemein.
Wurde gelöscht was störte
Und nicht zum Christentum gehörte.
Der Frosch musste den Intrigen,
Der Kirchfürsten einst erliegen,
Weil er im alten Nilstromland
Als eine Schöpfergottheit stand.

Er wurde getilgt, ist nicht mehr da,
Wo Galestruzzi ihn noch sah.

„Doch was dem Papst ward nicht gewahr,
Das mache ich euch hier heut klar“,
Sprach Aristoquakes sichtlich heiter
In der Literatenrunde weiter.
Und dann fügte er spontan
Gleich das Folgende noch an:

Auch auf die Lyra sei verwiesen:
Nach dem alten Druck zu schließen,
Ist das Instrument ganz oben
Neben den Unsterblichen mit groben
Saiten übertrieben deutlich so bespannt,
Dass es unsern Blick auch bannt.
Der Künstler der das Instrument ersann
Deutet die Siebenzahl uns an.
Auch ist die Form recht sonderbar,

Ein sonderbares Detail
in der Homervergöttlichung

Die einem Lurch, so denkt ein Christ,
Weiß Gott doch ziemlich ähnlich ist.

Der Künstler gibt uns offenbar,
Auch wenn es sich anhört arg absurd,
Er gehörte wohl zu denen,
Einen Querverweis auf jenen
Frosch der dereinst König wurd’.

Die Muse deutet solches an.
Sie weist, wie man gut sehen kann,


Auf den Schriftzug hin nach oben
Der den Schöpfer sollte loben.
Eine Signatur, so aufgeblasen
Direkt unter Zeus gesetzt,
Wirkt störend über alle Maßen
Und zeigt uns auf, noch heut’ und jetzt,
Dass das Relief aus Marmorstein
Teilweise gefälscht muss sein.

Der Künstlername ist wohl Schmu
Und dient, so denk ich, nur dazu,
Uns einen falschen Weg zu weisen.
Das Werk sollte Homer einst preisen.
Dies ist wohl wahr, doch nebenbei,
Erzählt es uns ganz einwandfrei,
Was ich hab suchend aufgespürt
Und für euch bereits ausgeführt.
Die Signatur, die klotzig grobe,
Stammt aus jener Zeitperiode,
Als auf dem Siebenhügelstädtchen Rom,
Das Christenglaubensaxiom
Im Geheimcode „Eins Strich Sieben“
Ersonnen wurd’ und festgeschrieben.
Zählt man die Griechenlettern aus,
Wird, wenn man zu zählen recht versteht,
Der Titel des Gedichts daraus,
Um das es heute Abend geht.

Nach dem Siebenzahlcodus ausgezählt
ergibt der in altgriechischen Lettern in dem Marmor
geschlagene Künstelername das Schlüsselwort
"Batrachomyomachia"


Seit Linius wird manipuliert,
Damit bekannt der Satz nicht wird,
Der bei Petronius steht zu lesen,
Dort wo auch ich die Worte fand,
Dass Gott ein Frosch ist einst gewesen,
Am Nilstrom im Ägypterland.


Es folgt ein Faktum, seht mal hier
Kronos hält, so sehen wir,
Zwei Bücherrollen in der Hand.
Was sagt uns dazu der Verstand?
Da die Rollen dünn und klein,
Kann es nur der Tierkrieg sein.
Ilias oder Odyssee,
So mein eignes Resümee,
Hätten niemals darauf Platz.
Gewissermaßen als Ersatz,
Steht unser Poem, das ist das Tolle
Auf der Götter- Hymnenrolle“.



„Verzeihung“, unterbrach Konträr,
„Ach bitte, sei so nett, erklär
Uns was auf der andern Rolle steht,
Die Homer nicht grad diskret,
Was sofort ins Auge fällt,
Stolz in seiner Rechten hält“.
„Und“, so fuhr er sogleich fort,
„Was steht auf der Rolle dort,
Die zu seinen Füßen liegt“.

„Das hab ich auch herausgekriegt“
Antwortete Aristoquakes da:
„Res inter manus est“, beinah
Hätt’ zu erklären ich’s vergessen.
Er hat auch die Fälschungen besessen!

„Ach ja, jetzt fällt es mir grad ein,
Bei Ludwich steht das in Latein,
Gab Konträr es schließlich zu.
Das wäre allerdings der Clou.
Wenn es stimmt was sie da sagen,
Durchfuhr ihn drauf ein Geistesblitz,
Müsste man in Rom nachfragen,
Wer das Original hat im Besitz.

„Gott sei Dank, sie blicken durch,
Erkennen was mit Maus und Lurch,
Ward für ein übles Spiel getrieben,
Und wozu der Poem geschrieben
Über welchen alle wir,
So heiß diskutieren hier“.

So sprach Aristoquakes und fuhr fort.
„Zu Homer noch schnell ein Wort.
Der Mann hat wirklich gut geschrieben.
Von dem was erhalten ist geblieben,
Dokumentiert die Batrachomyomachie
Nebst der Ilias welch Genie,
Das ist wohl jedem von uns klar,
Der alte Mann zur Lebzeit war.


Er sah voraus
Dass Frosch und Maus
In Rom die neuen Hürden
Nicht einfach überspringen würden
Ohne dass einer auf der Stecke blieb.
Für wen den Tierkriegpoem er schrieb.
Ist mir persönlich längst schon klar.
Das Werk, so glaubt mir, es ist wahr,
Ist nicht nur eine Lesefibel.
Es ist der Lesecode zur Bibel“.

„Das ist doch Unsinn“, rief Max Schmäh
Und unterbrach den Sprecher jäh.
„Sie mit ihrer Philosophie
Machen noch alles das zunichte
Was die Batrachomyomachie -
Forscher schrieben zur Geschichte.
Barer Blödsinn was sie sagen.
Das ist nicht länger zu ertragen“.
Ich halte das im Kopf nicht aus,
Am Liebsten ginge ich nach Haus“!

Madam Sinnierlich grinste nur
Und Herr Konträr wusste wie stur,
Das war ihm seit langem klar,
Max Schmäh ihr Moderator war.
Alleine seine Meinung galt.
So kannten sie ihn, so war er halt.

„Aber“, sprach Aristoquakes nun,
„Was ich sag ist opportun.
Auch wenn es den Forschern tut arg weh,
Ich trag es vor, wie ich es seh’.
Ich weiß, die haben all studiert.
Für mich sind allesamt borniert.
Sonst hätten sie schon längst erkannt,
Was ich vor Stunden schon genannt,
Dass das pseudohomerische Gedicht,
Aus meiner subjektiven Sicht,
Ich sag es deutlich und auch laut,
Auch wenn Max Schmäh sich daran stört,
So wie der Bräutigam zur Braut
Auch nach der Hochzeit noch gehört,
Zur Ergänzung, nun gebt Acht,
Für die Bibel ward gemacht.


Die Batrachomyomachie,
Geschrieben von einem Genie,
Zählt man im Siebencode sie aus,
Ist das Gerüst zu jenem Haus
Das uns die Bibel anvertraut.
Wie man das Häuschen fertig baut
Könnte uns nur der Autor sagen,
Doch der ist tot seit vielen Tagen“.

„Was sie da sagen ist saudumm!
Sie krempeln die Geschichte um“,
Fiel ihm Max Schmäh erbost ins Wort.
Sie widerrufen das sofort!
Es ist ziemlich ekelhaft
Wie sie hier die Wissenschaft
Hänseln und die Philologen“.

„Die haben uns allesamt betrogen“,
Ergänzte Aristoquakes heiter
Und fuhr in seiner Rede weiter.

Ludwich Arthur, Mitzschke Paul,
War zu lesen ich zu faul.
Wölke Hansjörg, Reinhard Glei,
Überflog ich nebenbei“,
So fuhr er fort gar ungezogen.
„Ich bin den Brüdern nicht gewogen.
Die halten alle doch zusammen.
An ihrem Weisheitsschein zu schrammen
Scheint mir durchaus angebracht.
„Ich hoff, sie sind nun aufgewacht“,
Griff er den Moderator dann
Ziemlich barsch am Ende an!


„Schluss damit ich will nicht mehr
Ihre Argumente hören.
Sie geben sich am End noch her,
So wurde Schmäh im Zorne laut,
Dazu all jenes zu zerstören,
Was die Päpste aufgebaut
Haben um daran zu glauben.
Was Sie sich heute hier erlauben,
Zum Thema Batrachomyomachie
Ist Ketzerei und Blasphemie“.

Nun wurde Aristoquakes böse.
„Lassen wir das Religiöse
Aus dem Spiel, sehn wir die nackten
Unwiderlegbaren, klaren Fakten.

Fakt Nummer Eins, um den es geht,
Bei Ludwich Seite fünfzehn steht.


Fakt Zwei, was nicht bestritten wird:
Das Relief wurde manipuliert!
(Wölke: Seite 67)

Drittens, und auch das steht fest,
Dass im Louvre steht der Rest
Der Homer- Vergöttlichung.
Das Kunstwerk wirkt noch ziemlich jung.
Gefunden wurd’ es um Siebzehnhundert.
Was an der Halbplastik mich wundert
Ist, dass sie noch so gut erhalten.
Ob sie tatsächlich stammt vom alten
Archelaos von Priene, wie man sagt,
Hab ich mich schon oft gefragt.
Mir scheint es wahrlich dubios,
Dass ein Künstler so grandios
Wie der Schöpfer der Apotheose,
Wählt Griechenlettern übergroße
Um sein Werk zu Füßen des Kroniden
So auffällig protzig zu signieren.
Ein wahrer Meister würde sich genieren,
Und hätte sicher es vermieden,
Den Göttervater zu verletzen
Und den Schriftzug dort zu setzen,
Wo eigentlich doch für Homer
Der rechte Platz im Denkmal wär’.


Ne Signatur, so aufgeblasen
Unter den Göttervater hingesetzt,
Wirkt störend über alle Maßen
Und zeigt uns auf noch heut und jetzt,
Dass das Relief aus Marmorstein,
Teilweise gefälscht muss sein.

Der Künstlername ist wohl Schmu
Und dient, so denk ich, nur dazu,
Uns einen falschen Weg zu weisen.
Um jenen neuen Gott zu preisen,
Der dem Klerus mehr gefiel
Und nicht mehr grün war wie am Nil.

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.