Freitag, 24. Juli 2009

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 1-6

Der Tod des Mäuseprinzen


Der König hört den kleinen Mann
Und sieht ihn mit Erstaunen an,
Verwundert der Großherzigkeit
Und höflichen Bescheidenheit.

„Ich bin“, so spricht er, „hocherfreut,
Dass du zu uns gekommen heut,
Bist an den Hof, uns zu berichten
Vom Mausgeschlecht all die Geschichten.
Die unserm Volk vom Hörensagen
Von Fremden wurden zugetragen.
Ich lobe deinen tapfern Mut.
Drob bin ich dir von Herzen gut
Und acht’ dich meiner Freundschaft wert
Wie keinen sonst auf dieser Erd.
In Sonderheit mir wohl gefällt,
Wer seinen Stand in Ehren hält
Und trägt desselben Last und Plage
Standhaftens Sinn und ohne Klage.
Dein edler Mut und dein Vertrau’n
Auf eigne Kraft, so ist es würdig,
Dein eignes Leben aufzubau“n.
Du scheinst mir für den Thron gebürtig.
Auch ist gar klug und schön und wahr,
Was wohlbedacht ihr sonst so sagt.
Wir Frösche auch sind viel geplagt
Und leiden Schaden und Gefahr.
Die Feinde über die ihr klagt,
Sind größtenteils die unsren auch.
Wie kennen schon der Katze Brauch,
Des Falken auch, in Hungersnot
Da beißt er oft die unsern tot.
Die schlimme Weihe holt uns oft
Von Ufer weg ganz unverhofft.
Der Mensch ist auch nicht zu vergessen,
Der für ein delikates Essen
Stets nach unsern Schenkeln trachtet
Die er als Leckerbissen achtet.
Die Keulen grausam er entreißt.
Den Rest er in das Wasser schmeißt,
Anstatt die Teile zu begraben,
Dass Fische sich daran nicht laben.

Das Manntier, da geb’ ich dir Recht,
Ist feige, einfältig und schlecht.
Obgleich man sagt, das Tier hätt’ Geist,
Es uns das Gegenteil beweist.
Es mordet, so erzähl man mir,
Sogar im eigenen Revier.
Nicht wie wir der Nahrung wegen,
Jagen sie. Wenn Groll sie hegen,
Bringen unbedacht und dumm,
Sie sich einander selber um.

Die Mordlust, die dem Tier ist eigen,
Sonst nur Basilisken zeigen.
Damit das Töten leicht sie schaffen,
Entwickeln stets sie neue Waffen.
Ich hab in einem Buch gelesen,
Was in Europa ist gewesen.
Ein Feldherr, der sich Gröfaz nannte,
Die mächtigste Schlacht der Welt entbrannte
Und alle, alle machten mit.
Am Ende, anstelle von Profit,
Stand eine Zahl, ein Weltrekord.
Noch nie gab’s solchen Massenmord
Auf der Welt wie damals hier
Verursacht durch das Mordgetier.
Fünfundfünfzig Millionen Tote.
Ich erzähl die Anekdote
Vom Weltkrieg heute deshalb dir
Weil aufzeigt sie, welch Art von Tier
Der Mensch in seinem Wahne ist.
Heimtückisch, voller Hinterlist,
Ach es ist fürwahr zum Weinen,
Bewerfen sie uns oft mit Steinen.
Das Tier, von dem die Gottheit sagt,
Es wäre sehr vernunftbegabt,
Ist stattlich zwar von Körperbau,
Doch, so denk ich, nicht sehr schlau.
Ich hab da meine eigne Sicht.
Der Mensch, er ist ein Bösewicht.
Erst gestern starb ein Untertan.
Heimtückisch auf der Autobahn,
Hat ihn ein Manntier überfahren.
In den letzten hundert Jahren
Mussten Millionen daran glauben.
Was die Menschen sich erlauben
Ist anmaßend und schrecklich dumm.
Sie bringen sich und uns all um.
In meinen Teich in Hüll und Fülle,
Kippen Unrat sie und Gülle,
So dass mit meinem Volk ich fliehen
Demnächst muss und weiterziehen
In einen Pfuhl am Weltenrand
Der dem Tier ist nicht bekannt.

So wie einst es einmal war,
Wird es wohl nie wieder sein.
Die schönsten Pfützen werden rar.
Das Manntier ist ja so gemein,
Es denkt an sich als Erstes nur
Und ganz zuletzt an die Natur.
Die seit Jahrtausenden bewährt
Uns allesamt hat noch ernährt.
Dass er ein Körnchen davon ist,
Das Manntier dabei ganz vergisst.
Doch irgendwann im Lauf der Zeit,
Denn davor ist kein Tier gefeit,
Werden des dummen Tieres Erben
So wie wir vor Hunger sterben.

Der Mensch wird sicher niemals klug.
Noch haben zu essen wir genug!
Doch wenn, was jenes Tier versucht
Die Natur zu ändern mittels Zucht
Und aufgeht was es heute sät
Dann ist es sicherlich zu spät
Für die Erde und uns alle.
Wir sitzen mit in dieser Falle
Die das dumme Tier uns stellt.
Aber noch dreht sich unsre Welt
Und hier und jetzt bis übermorgen
Da haben wir Frösche andre Sorgen.

Weil just von Feinden sprechen wir;
Im Wasser noch so manches Tier,
Wie Hecht und Schlange und der Schwan
Sie greifen all begierig an
Um uns tückisch umzubringen
Und genüsslich zu verschlingen.

Weiter erzählte Pausback drauf,
Des Männleins Wissbegier zu stillen,
Wie einst vor vielen tausend Jahren
Die Frösche ohne König waren,
Frei handelten nach eignem Willen;
Bis endlich alle sahen ein,
Es müsse wohl ein König sein;
Und wie, nachdem man sich beraten,
Sie Gott um einen Herrscher baten;
Wie ihnen drauf vom gnäd’gem Gott
Ein Block ins Wasser wird gesandt;
Wie mit Verachtung sie und Spott
Den Block hin trieben an das Land,
Um einen Andern zu erbitten;
Wie Zeus darauf in ihre Mitten
Den Storch als Herrscher zornig, schickt,
Der Untertanen ohne Zahl
Aufspeist zu einem einz’gen Mahl;
Wie endlich einem Frosch es glückt,
An sich das Regiment zu bringen;
Wie nun die Sachen herrlich gingen
Und wie, vom Vater stets der Sohn
Das Zepter erbte und die Kron’,
Bis diese Herrscherreihe groß“,
Der jetzige König lachend schloss-

„Damit du nun“, fuhr Pausback fort,
„Was ich erzählt mit kurzem Wort,
Auch mögest in Gemälden schön
Und treulich abgebildet sehn
Komm mit in meinen Königsaal,
Wo meine Ahnen viel an Zahl,
Lebensgetreu gemalt all hangen
In Bildern ihre Taten prangen.

Auch kann ich dort in meiner Feste
Bewirten meinen Gast aufs Beste.
Von meines Reichtums großen Gaben
Sollst dort du, was du wünschest haben.
Ich will beim Abschied dich beschenken,
Dass immer mein du sollst gedenken.
Drum fahr mit mir und meinem Tross
Hinunter in mein Wasserschloss.
Scheu nicht den ungewohnten Weg,
Ich bring dich sicher ans den Steg.
Ich will dich sicherlich geleiten,
Auf meinem Rücken sollst Du reiten“

„Herrje“ sprach Bröseldieb, “die Ehr,
Die ihr erweist, erfreut mich sehr.
Doch bin ich keine Wassermaus;
Und durch den See in euer Haus
Zu gehen, auch wenn ihr selbst mich tragt,
Erscheint mir doch etwas gewagt.
Ich bin des Wassers ungewohnt;
Und bleibe gern damit verschont“.

Sprach Pausback: „hast du nicht gesagt,
Du sei’st beherzt und unverzagt?
Nun merk ich wohl, es fehlt an Mut;
Das steht dem Königssohn nicht gut.
Trau nur und spring auf meinen Rücken
Und fürchte nimmer mich zu drücken;
Ich bring zum Schloss dich ohn’ Gefahr
Und netz dir nicht ein einz’ges Haar.
Es mögen deine Diener vier,
Auf den Trabanten reiten hier.
Doch willst du nicht, so mag es sein;
Da wo kein Herz, kommt keines ein“.

Dies Wort, gesagt nicht ohne Hohn,
Verdross den wackren Königssohn;
Er sprach: „Wohlan, ich füge mich,
Sollst sehen, dass kein Prahler ich:“

Der König tat sich nieder bücken.
Der Andre sprang ihm auf den Rücken.
Umschlang den Hals mit beiden Händen,
Mit beiden Füßen auch die Lenden,
Und sprach bei sich: „in Gottes Namen!
Er möge uns behüten! Amen!


Das Froschvolk trat ans Ufer nah
Und rief „Glückauf“ und auch „Hurra“!

Die Mäuse welche gleichermaßen
Auf den Froschtrabanten saßen.

Gar lustig war, schön anzusehn,
Die Kavalkade seewärts gehn,
Geleitet von der Frösche Heer,
Voran, zur Seit und hinterher.
Die Mäuse blickten nach dem Lande,
Behaglich so im Seemannsstande.
Auch Bröseldieb mit Freude sah,
Das Ufer lag noch ziemlich nah.
Das frische Nass, das ihn umspülte,
gar lieblich seine Hitze kühlte.
Die Wellen blinkten streichelnd her
Als ob die Flut von Silber wär’.


Er sah die Fische drunten schwimmen
Und weiße Muschelhäuschen glimmen;
Am Ende schwenkt er mit der Mütze,
Hob lustig auf des Schwänzchens Spitze.

Er spürt beim Reiten eine Lust
Von der er nie zuvor gewusst.
So lieblich süß, so sanft und fein,
Als sollt’ er davon schlafen ein,
So kitzelt ihn der Wassertanz
Vom Haupt und Nacken bis zum Schwanz.
Gleich wie die Kinder sich gebaren,
Und schaukelnd auf und nieder fahren
Auf einem gleich gewognem Holz
Und dünken sich wie Ritter stolz;
So auch der Prinz fuhr auf und nieder
Und neigte sich und hob sich wieder.

Wie aber Pausback schneller sprang
Und tiefer in das Wasser drang,
Sich immer flacher vorwärts bückte
Wobei das Ufer schnell entrückte.
Da schlug die Woge beider Enden
Zusammen über des Reiters Lenden.
Der stolze Mauser wurde blass
Als sein Schwänzchen klitschenass
Im Wasser schleifte hinterher
Als ob’s des Schiffes Ruder wär’.

Vom Lande längst nichts mehr zu seh’n,
Die Wellen immer höher geh’n
Und schlagen ihm in beide Ohren,
Er fürchtet schon, er sei verloren.

Da kommt die Reu’. Er weint, er klagt:
„Ach Gott, dass ich so frevelich
Mein junges Leben hab’ gewagt!
Bestraf’ nicht mit dem Tode mich,
Das brächt’ den Eltern Herzeleid,
Wenn Du mich rettest, drauf mein Eid,
Will künftig fromm und weis’ ich sein
Dir dankbar einen Tempel weih’n,
Und täglich dort mit reinstem Sinn
Zwei drei Stunden beten drin’.“

Er wollte sein Leben nur bewahren,
So jung nicht in die Grube fahren.

Doch dringt das Wasser mehr empor
Und mehr und füllt ihm jedes Ohr,
So dass der Kopf ihm saust und braust
Und ihm in seinem Herzen graust;

Die Höschen werden nass und schwer
Und zieh’n nach unten mehr und mehr.

Mit guten Worten tröstet ihn
Der König als er schwimmt dahin.
Doch dauert dieser Trost nicht lange,
Denn eine große Wasserschlange
Taucht mitten zwischen ihnen auf.
Sie hebt den Hals in ihrem Lauf,
Sie sperrt den Rachen auf und züngelt,
Der lange Leib sich furchtbar kringelt,
Sie lässt sich in ihr Inn’res schauen,
Dass in Pausback fährt das Grauen,
Aus ihren Augen, welche glühen
Die Blicke so wie Funken sprühen.

Vor Schreck erstarrt schließt er den Mund
Und taucht hinunter auf den Grund.
Die Maus, die auf ihm hat gesessen,
Hat er dabei total vergessen.


Umsonst strampelt da Bröseldieb,
Von Pausbacks Rücken abgefallen,
Sich ab; vergebens hört man schallen
Den Hilferuf der Angst. Es trieb
Ihn bald herauf, bald trieb es wieder
Ihn in die dunkle Tiefe nieder.
Aus seinem Mund tritt kalter Schaum;
Es werden kalt und lahm die Glieder;
Er schluckt Wasser, speit es wieder
Hinweg und schluckt’s von Neuem ein;
Schwarz wird für ihn der Sonne Schein;
Der Atem will entgeh’n und kaum
Noch kann die schwache Stimme lallen:
„Ach Gott, so jung und sterben schon!
Fahr hin, du Zepter, hin, du Kron’,
Fahr hin, der Eltern Hoffnungsschimmer
Wohlan denn, da es Gott gefallen
Werd ich tot sein bald für immer.
Dich aber, Pausback, Bösewicht,
Der du mich stürzest in das Grab,
Des Gastes Rechte achtest nicht,
Indem du ließest mich im Stich
Und tauchtest vor der Schlange ab,
Gott soll dich strafen fürchterlich.
An dir und an den Deinen schwer
Wird rächen sich der Mäuse Heer.
Ade, du Welt, du Sonnenlicht.
Ich bitte drum, vergesst mich nicht“

Noch einmal, mit letzter Kraft,
Hat Bröseldieb sich aufgerafft
Und rief hinüber: „Eilet fort!
Sorgt, dass man räche diesen Mord!
Der König Pausback, dass ihr’s wisst,
Warf hier mich ab mit Hinterlist!“
Sprach’s in des Todes Ängsten und
Sank starr hinunter auf den Grund.

wird fortgesetzt

Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.