Mittwoch, 4. Juli 2012

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 10 - 112
Sagenerzähler im Olymp

Über ein Dutzend Sagen hatte
Astyoche vorgetragen.
Da hörte sie Astyocheia sagen:
(Ilias 2/658; Mutter des Tlepolemos)
"Aktor-Töchterlein gestatte
Dass auch ich `ne Sage hier,
Es passt grad gut, erzähle dir";
Und dann fing sie auch schon an:

"In Deutschland" sprach sie "irgendwann,
Wo die Geschicht' ist vorgekommen
Hab ich sie  dereinst vernommen".


Die Kröte von Neustadt.


Ein Alter der schon etwas spinnert
Hat sich genau daran erinnert
Und erzählte sie mir vor Ort
Als ich war auf Urlaub dort.

Vor langer Zeit in uns'rer Stadt
Sich Böses zugetragen hat,
So erzählte er mir dann
Und zog mich ganz in seinen Bann.

Ein reicher Bürger, weil betagt
Hat zu den Kindern einst gesagt:
"Ich bin nun alt, nicht mehr gesund,
Ich denk' das ist ein guter Grund,
Weil lang' ich hab' nicht mehr zu leben,
Haus und Hof zu übergeben.
Haltet alles mir in Ehren,
Behütet es, versucht's zu mehren.
Als Bedingung bitt' ich aus:
Kost und Pfleg' in euerm Haus.
Wenn ihr das erfüllen wollt
Ihr alles jetzt bekommen sollt.

Die Kinder haben schnell versprochen
Das Beste Vater stets zu kochen
Und ihn zu pflegen bis zum Ende,
So schworen sie ihm ganz behände.
Sie würden alles für ihn tun.
Er bräuchte fortan nur zu ruh'n;
Beteuerten die beiden ihm
Als artiges Geschwisterteam.
Doch insgeheim, so ist die Welt
Da dachten beide nur ans Geld.

Der Alte, er hat überschrieben
Hab und Gut, nichts ist geblieben.
Er hat sich ganz darauf verlassen
Dass man ihm nichts würd' fehlen lassen.

So strich die Zeit recht sorgenfrei
Für den alten Mann vorbei.
Er lebte froh so vor sich hin
Und saß zufrieden am Kamin.

Doch später, so nach zwei drei Jahren
Ist ihm viel Undank  widerfahren.
Die Pflege für ihn unentbehrlich
Ward' den Kindern zu beschwerlich.

Ihnen war das längst zuwider.
Als der Alte lag danieder
Weil erkrankt am Herzen schwer
Vernachlässigten sie ihn sehr.
Böse Worte hatte der Sohn
Für den Vater nur als Lohn.
Und die Tochter nur noch selten
bracht' zu essen den alten Herrn.
Dauernd hörte man sie schelten.
Sie hatten den Vater nicht mehr gern.

So litt der Alte arge Not.
Sie gönnten ihm nicht 'mal das Brot.
Neideten ihm jeden Bissen
Und ließen ihn das auch noch wissen.
Schließlich ist ihr Vater dann
Schmachvoll verhungert irgendwann.

Am Morgen als der Vater tot
Im Bette lag begann die Not.
Als die Tochter ging zum Schrank
Weil sie das Brot wollt schneiden,
Schlug ihr entgegen der Gestank
Einer Krott, sie musst's erleiden.
Auf dem Brot im Schranke saß
Die Kröte die d'ran satt sich fraß.
Erschreckt die Tochter ängstlich schrie.
Die Pogge giftig fauchend spie.
Dem Bruder der herbeigeeilt
Hat seine Schwester mitgeteilt
Was ihr eben war gescheh'n.
Er konnt' im Schrank die Kröte seh'n.

Die Krott sah wahrhaft gruslig aus.
Die Schwester rief: "Schaff' aus dem Haus
Das böse Vieh mir auf der Stelle.
Jag es hinaus über die Schwelle."
 
Doch was die zwei haben versucht,
Die Kröte war, so schien's  verflucht.
Sie kam immer, immer wieder
Und ließ sich auf dem Brotleib nieder.
Kein Stück Brot konnt' man mehr essen
Auf dem nicht schon die Krott gesessen.
Und weil die Pogg' sehr laut gequakt
Hat jedes Mal wenn sie verjagt
Von dem Brotleib wurd am Morgen,
Blieb den Nachbarn nicht verborgen
Was sich im Hause nebenan
Bei den Geschwistern hat getan.

So ist es an den Tag gekommen
Wie der Alte war zu Tod gekommen.
Dass die Kinder diese miesen
Den Vater schlicht verhungern ließen
Erfuhr sogar der Magistrat
Der sich damit beschäftigt hat.

Die Ratsherrn fassten den Beschluss
Dass etwas geschehen muss.
Sie hängten an die Rathausmauer
Zur Abschreckung für den Beschauer
Einen steiner'n Brotleib auf,
Mit 'ner steinern' Kröte drauf.
An einer Eisenkett' mit Ring
Das Mahnmal fest am Rathaus hing.

Wenn Unrecht in der Stadt geschah,
Man dann am Pranger stehen sah
Den Übeltäter, in Scham und Schande,
Mit der Krott am Eisenbande
Um den Hals mit Weh und Ach.
Verhöhnt, verflucht viel hundertfach.
Dies mussten auch die zwei erfahren
Die undankbar zum Vater waren.

Die Krötenkett' blieb lang in Mode.
Für die Erziehung als Methode
Um Übeltäter abzuschrecken.
Dies sollt 'die stein're Krott bezwecken.



Als man das neue Rathaus baute
Weil das alte ward zu klein,
Verschwand die Kette, die vertraute
Nebst Brotleib und der Krott aus Stein.

Geblieben bis in uns're Tage
Ist einzig und allein die Sage.

In Neustadt Thüringen jedoch
Weiß man ganz genau es noch.
Auch der Alte nicht vergaß
Die Kröt' die auf dem Steinbrot saß.
Auch wenn er schon ein bisschen spinnert
Hat er sich  ganz genau erinnert
An die Kinder, jene miesen,
Die den Vater schier verhungern ließen.
Von ihm hab' ich vor hundert Jahren
Die Geschichte so erfahren
Und weil an Sagen wie ihr wisst,
Stets ein Fünkchen Wahrheit ist,
Für die Kinder all die lieben
Hab ich sie hier aufgeschrieben.

R.W.A.


"So ist es" sprach Astyocheia
Nachdem verebbt war der Applaus;
"Als Kind bei uns einst in Achaia,
Daheim in unserm Elternhaus
Saßen oft am Feuer wir,
Gemütlich beisammen so wie hier
Und erzählten Froschgeschichten.
Ich Könnt gar viele noch berichten!
Vielleicht komm ich ja irgendwann
Noch mal an die Reihe. Dann,
Mir fällt das ganz bestimmt nicht schwer,
Erzähl ich euch darüber mehr.
Doch nun ist Astypylos dran:
(Ilias 21/209;  Paioner, von Achilles getötet)
Bis zum nächsten Mal, na dann".


wird fortgesetzt

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Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.