Dienstag, 17. September 2013

Batrachomyomachia

Machwerk R.W. Aristoquakes
Teil 21-7
Märchenerzähler im Olymp

Beifallsgetöse im Milieu!
Für zwei Geschichten, doppelt laut!

Nachdem der Lärm war abgeflaut
Trug Apoll dem Götterkorps
Seine Lieblingsgeschichte vor;
"Hopp-Frosch" von Edgar Allan Poe.



Hopp-Frosch

Edgar Allan Poe

Ich habe niemals jemand gekannt, der so sehr zu Scherz und Spaß aufgelegt war wie der König; es war geradezu sein Lebenselement. Eine lustige Geschichte gut erzählen – das war der sicherste Weg, sich bei ihm in Gunst zu setzen. So kam es, dass seine sieben Minister alle dafür bekannt waren, vollendete Spaßmacher zu sein. Sie glichen auch sonst dem König: sie waren nicht nur unvergleichliche Witzbolde, sondern auch große, korpulente, fette Männer. Ob die Leute vom Scherzen fett werden oder ob die Veranlagung zu Spaß und Scherz bei fetten Leuten besonders stark entwickelt ist, habe ich nie ganz genau feststellen können; Tatsache aber ist, dass ein magerer Spaßmacher ein seltener Vogel ist. Aus den Feinheiten oder, wie er sagte, dem »Geist« des Witzes machte der König sich wenig. Er bewunderte hauptsächlich die Breite eines Scherzes, und um ihretwillen ließ er sich auch die Länge gefallen. Feinheiten langweilten ihn, und alles in allem gefiel es ihm noch besser, einen Streich auszuführen, als einen erzählt zu bekommen.
Zu der Zeit, in der meine Geschichte spielt, waren berufsmäßige Spaßmacher bei Hofe noch nicht ganz aus der Mode gekommen. Mehrere Mächte des Kontinents hatten noch ihre Narren, in Narrenkleid und Schellenkappe, die zum Dank für die Brosamen, die ihnen an des Königs Tische zufielen, stets zu Spott und Witz bereit sein mussten.
Unser König hatte selbstverständlich auch seinen Hofnarren. Tatsache ist, dass er ein wenig Narrheit um sich brauchte – sei es auch nur als Gegengewicht gegen die ungeheure Weisheit der sieben weisen Männer, seiner Minister – von ihm selbst gar nicht zu reden.
Sein Narr war jedoch nicht nur ein Narr. Sein Wert wurde in den Augen des Königs dadurch verdreifacht, dass er außerdem ein Zwerg und ein Krüppel war. In jenen alten Tagen waren Zwerge am Hof nicht seltener als Narren, und viele Herrscher hätten es schwer gefunden, die Tage hinzubringen – und bei Hofe sind die Tage länger als sonst wo – ohne einen Spaßmacher, mit dem sie lachen, und einen Zwerg, über den sie lachen konnten. Doch wie ich schon bemerkte, sind in neunundneunzig von hundert Fällen die Witzbolde fett, rund und schwerfällig, so dass unser König sich wirklich gratulieren konnte, in Hopp-Frosch, das war des Narren Name, in einer Person einen dreifachen Schatz zu besitzen.
Ich glaube nicht, dass der Zwerg schon bei der Taufe den Namen Hopp-Frosch erhielt, er verdankte ihn vielmehr dem weisen Rat der sieben Minister und seiner eigenen Unfähigkeit, wie andere Menschen aufrecht einherzugehen. Hopp-Frosch konnte sich nur mittels eines ganz absonderlichen Verfahrens vorwärts bewegen, es war halb ein Sprung, halb ein schlängelndes Vorschleudern des Körpers, eine Gangart, die allen bei Hofe unglaublichen Spaß machte und dem König ein rechter Trost war, denn im Vergleich zu seinem Narren galt er selbst trotz seines gewaltigen vorspringenden Bauches und seines mächtigen Wasserkopfes für einen schön gebauten Mann.
Obgleich Hopp-Frosch infolge seiner missgestalteten Beine sich nur mühsam und unter Schmerzen vorwärts zu bewegen vermochte, so konnte er, wenn es sich ums Klettern handelte, ganz Außergewöhnliches leisten. Die Natur hatte ihn für die Unvollkommenheit seiner unteren Gliedmaßen mit einer unerhörten Muskelkraft der Arme ausgestattet. Wenn er so auf Bäumen und an Seilen herumkletterte, glich er eher einem Eichhörnchen oder einem kleinen Affen als einem Frosch. Ich bin nicht imstande, mit Bestimmtheit anzugeben, aus welchem Lande Hopp-Frosch stammte. Jedenfalls war es irgendeine unwirtliche Gegend, von der niemand etwas wußte und weit entfernt vom Hofe unseres Königs. Hopp-Frosch und ein junges Mädchen von fast ebenso zwerghafter Gestalt wie er selbst – nur dass sie wohlproportioniert und eine wunderbare Tänzerin war – waren aus ihrer Heimat gewaltsam in benachbarte Provinzen verschleppt worden, von wo einer seiner stets siegreichen Generale sie dem König zum Geschenk sandte.
Unter solchen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass zwischen den beiden kleinen Gefangenen eine innige Freundschaft erwuchs. Hopp-Frosch, der trotz seiner Kurzweiligkeit keineswegs beliebt war, war nicht in der Lage, Tripetta große Dienste erweisen zu können; sie aber wurde trotz ihrer Zwergengestalt, dank einer seltenen Anmut und Lieblichkeit allgemein verehrt und verhätschelt; sie hatte also eine große Macht und versäumte nie, sich ihrer, sobald es Not tat, zugunsten von Hopp-Frosch zu bedienen.
Anläßlich irgendeines großen Staatsereignisses – was es war, habe ich vergessen – hatte der König beschlossen, ein Maskenfest zu geben, und wann immer ein Maskenfest oder dergleichen an unserem Hofe stattfinden sollte, rief man die Talente Hopp-Froschs und Tripettas zu Hilfe. Denn der Zwerg war so erfinderisch in der Zusammenstellung von Festaufzügen und wusste so prächtige Masken zu ersinnen, dass es war, als sei ohne ihn nichts zu machen.
Die Festnacht war gekommen. Eine glänzende Halle war unter Tripettas Aufsicht mit allem ausgeschmückt worden, was geeignet schien, einen stimmungsvollen Hintergrund für ein Maskenfest zu schaffen. Der ganze Hof war in fieberhafter Erwartung. Was die Wahl der Masken und Kostüme anlangte, so hatten viele schon Wochen ja Monate vorher beschlossen, welche Rolle sie zu spielen gedachten, und wirklich gab es auch keine Unentschlossenheit mehr – ausgenommen beim König und seinen sieben Ministern. Warum gerade sie noch zögerten, wüsste ich nicht zu sagen, es sei denn, weil ihnen dies spaßhaft vorkam. Wahrscheinlich ist, dass es ihnen schwer fiel, für ihre fetten Gestalten eine passende Verkleidung zu finden. Kurzum, die Zeit entfloh, und als letzte Rettung ließen sie Tripetta und Hopp-Frosch rufen.
Als die beiden kleinen Freunde kamen, fanden sie den König mit den sieben Mitgliedern seines Kabinettsrates beim Weine sitzen. Aber der Herrscher schien übler Laune zu sein. Er wusste, dass Hopp-Frosch den Wein nicht liebte, da das Trinken stets den armen Krüppel bis zum Wahnsinn aufregte, und Wahnsinn ist kein angenehmer Zustand. Aber dem König, der es liebte, jemand einen Schabernack zu spielen, machte es Spaß, Hopp-Frosch zum Trinken zu zwingen und ihn – wie der König es nannte – lustig zu machen.
»Komm her, Hopp-Frosch«, sagte er, als der Spaßmacher und seine kleine Gefährtin ins Zimmer traten. »Leere diesen Becher auf die Gesundheit deiner fernen Freunde – hier seufzte Hopp-Frosch – und dann begnade uns mit deiner Erfindungsgabe. Wir brauchen Rollen, Rollen, Mann, irgend etwas Neues, noch nicht Da gewesenes! Wir haben das ewige Einerlei satt. Komm, trink! Der Wein wird dich erleuchten.« Hopp-Frosch versuchte wie immer so auch diesmal des Königs wohlwollende Ansprache mit einem Scherz zu beantworten, aber die Anstrengung war zu groß. Gerade heute nämlich war des armen Zwerges Geburtstag, und der Befehl, seinen »abwesenden Freunden« zuzutrinken, zwang ihm Tränen in die Augen. Große und bittere Tropfen fielen in den Kelch, den er demütig aus der Hand des Tyrannen entgegennahm.
»Ah! Ha! ha! ha!« grölte letzterer, als der Zwerg den Becher widerwillig leerte. »Seht, was so ein Glas guten Weins vermag! Wahrhaftig, deine Augen glänzen schon!«
Armer Kerl! Seine großen Augen glänzten nicht nur, sie glühten, denn auf sein leicht erregbares Hirn hatte der Wein nicht nur eine gewaltige, sondern auch eine augenblickliche Wirkung. Er stellte den Becher mit bebender Hand auf den Tisch und sah sich mit halb irrsinnigen Blicken in der Gesellschaft um. Alle Anwesenden hatten ihre Freude an dem sichtlichen Erfolg des königlichen »Scherzes«.
»Und jetzt an die Arbeit!« sagte der Premierminister, ein sehr fetter Mann.
»Ja«, sagte der König. »Komm, Hopp-Frosch, leihe uns deinen Beistand. Charakterrollen, mein hübscher Junge! Es mangelt uns an Charakteren, uns allen, ha! ha! ha!« Und da diese Äußerung offenbar scherzhaft gemeint war, stimmten seine sieben Minister in sein Lachen mit ein.
Hopp-Frosch lachte auch – aber nicht sehr herzhaft.
»Vorwärts, vorwärts«, sagte der König ungeduldig, »kannst du uns keinen Vorschlag machen?«
»Ich bin bemüht, etwas Neues zu ersinnen«, antwortete der Zwerg zerstreut, denn er war trunken vom Wein. »Bemüht!« schrie der Tyrann wütend. »Was meinst du damit? Ah, ich sehe, du bist missgestimmt und brauchst noch mehr Wein. Hier trink!«
Und er goss einen zweiten Becher voll und bot ihn dem Krüppel, der nach Atem rang und sich nicht rührte.
»Trink, sage ich!« brüllte der Unhold. »Oder beim Teufel –«
Der Zwerg zögerte. Der König wurde purpurrot vor Zorn. Die Höflinge schmunzelten. Tripetta näherte sich leichenblass dem König, warf sich vor ihm auf die Knie und beschwor ihn, ihren Freund zu schonen.
Der Tyrann war von ihrer Kühnheit verblüfft. Einen Augenblick sah er sie verwundert an. Er schien in großer Verlegenheit; – was sollte er tun, was sagen, wie seinem Zorn Luft machen? Endlich stieß er sie wortlos zurück und schüttete ihr den ganzen Inhalt seines Bechers ins Gesicht.
Das arme Mädchen erhob sich wankend und nahm, ohne auch nur einen Seufzer zu wagen, ihren Platz am Fuße des Tisches wieder ein.
Eine halbe Minute lang herrschte Totenstille, man hätte ein Blatt zu Boden fallen hören können. Da tönte in das Schweigen ein sehr leiser, doch scharfer und anhaltender knirschender Ton, der zu gleicher Zeit aus allen Ecken des Raumes hervorzuknarren schien.
»Warum – warum – warum, sage ich, machst du dieses Geräusch?« wandte sich der König an den Zwerg.
Letzterer schien sich von seiner Betrunkenheit ganz erholt zu haben; er sah dem König scharf, doch ruhig ins Gesicht und sagte nur:
»Ich – ich? Wie könnte ich das getan haben?«
»Der Laut schien von außen hereinzudringen«, bemerkte einer der Höflinge. »Vermutlich war es der Papagei dort am Fenster der seinen Schnabel an den Gitterstäben des Käfigs wetzte.«
»Möglich«, erwiderte der Herrscher und atmete befreit auf, »doch bei meinem Ritterwort, ich hätte schwören mögen, dass es das Zähneknirschen des Schurken hier war.«
Jetzt lachte der Zwerg – der König war ein zu eingefleischter Spaßmacher, als dass er irgendeinem das Lachen verübelt hätte – und enthüllte zwei Reihen großer, kräftiger, abstoßend wirkender Zähne. Überdies gab er seine völlige Bereitwilligkeit zu erkennen, so viel Wein zu schlucken, als man nur wünsche. Der König war befriedigt. Und nachdem Hopp-Frosch ohne scheinbar üble Wirkung einen weiteren Becher geleert hatte, begann er sogleich und mit Eifer sich für die geplante Maskerade zu interessieren.
»Ich kann nicht sagen, wie die Ideenverbindung mir kam«, bemerkte er so ruhig, als habe er nie in seinem Leben einen Schluck Wein über die Lippen gebracht. »Aber gerade nachdem Eure Majestät das Mädchen fort gestoßen und ihr den Wein ins Gesicht geschüttet hatten – gerade nachdem Eure Majestät das getan hatten und während der Papagei draußen am Fenster das seltsame Geräusch vollführte, kam mir ein köstlicher Spaß in den Sinn, einer der lustigen Streiche aus meiner Heimat und bei unsern Maskenfesten sehr beliebt. Hier aber wird er sicherlich ganz neu sein. Leider jedoch gehören dazu genau acht Personen, und –« »Sind wir ja!«, rief der König und lachte über seine rasche Entdeckung der Zahlenübereinstimmung. »Genau acht Mann, ich und meine sieben Minister. Vorwärts! Erzähle uns deinen Streich!«
»Wir nennen ihn«, erwiderte der Krüppel, »die acht zusammengeketteten Orang-Utans, und gut ausgeführt ist er wirklich von großartiger Wirkung.«
»Wir wollen ihn ausführen«, bemerkte der König und stand mit schweren Augenliedern auf.
»Der Hauptwitz des Spiels liegt in dem Entsetzen, das es bei den Frauen verursacht«, fuhr Hopp-Frosch fort. »Ausgezeichnet!« grölten der Monarch und seine Minister im Chor.
»Ich werde Sie also als Orang-Utans einkleiden«, sprach der Zwerg weiter. »Überlassen Sie alles mir. Die Ähnlichkeit wird so verblüffend sein, dass die ganze Maskengesellschaft sie für wirkliche Tiere halten wird – und natürlich wird man ebenso entsetzt wie erstaunt sein.«
»Oh, das ist herrlich!« rief der König. »Hopp-Frosch! Aus dir will ich noch einen Mann machen!«
»Die Ketten dienen dazu, durch ihr Klirren die Verwirrung zu erhöhen. Es muß so scheinen, als seien Sie alle Ihren Wächtern entronnen.
Eure Majestät können sich gar nicht vorstellen, wie wirkungsvoll bei solch einer Maskerade acht zusammengekettete Orang-Utans sein müssen, da die meisten der Gesellschaft Sie für wirkliche Bestien halten werden, wenn Sie mit wildem Geschrei mitten zwischen all die prächtig und lieblich gekleideten Männer und Frauen hineinrasen. Der Gegensatz wird unbeschreiblich sein.«
»Das machen wir unbedingt«, sagte der König. Und der versammelte Rat löste sich auf, denn es war schon spät, und man musste sich beeilen, den Plan Hopp-Froschs zur Ausführung zu bringen.
Sein Verfahren, den König und seine Vertrauten in Orang-Utans zu verkleiden, war einfach, aber für seine Zwecke wirkungsvoll genug. Diese Tiere waren zu der Zeit, in der meine Geschichte spielt, in der zivilisierten Welt noch kaum gesehen worden. Und da die von dem Zwerg vorgenommene Verkleidung wahrhaft scheußlich und bestienhaft aussah, so war der Erfolg der Täuschung gesichert.
Der König und seine Minister wurden zunächst in eng anliegende, braune wollene Hemden und Unterhosen gesteckt. Dann wurden diese mit Teer getränkt. Jetzt schlug einer Federn vor. Aber der Zwerg verwarf diesen Vorschlag und überzeugte die acht, dass das Fell eines Orang-Utans weit naturgetreuer durch Flachs dargestellt werden könne. Eine dicke Schicht davon wurde nun auf die Teerschicht festgedrückt. Dann brachte man eine lange Kette herbei. Sie wurde zuerst dem König um den Leib gelegt und festgeknotet, mit den sieben andern Teilnehmern wurde genau so verfahren. Als alle derart angekettet und so weit als möglich voneinander entfernt aufgestellt waren, bildeten sie einen Kreis; und um das Ganze recht naturgetreu erscheinen zu lassen, zog der Zwerg den Rest der Kette zweimal diametral durch den Kreis. Es war ganz die Art, in der noch heutzutage auf Borneo große Affen zusammengekoppelt werden.
Der weite Saal, in dem das Maskenfest stattfinden sollte, war ein kreisrunder, sehr hoher Raum, der sein Licht durch ein einziges Fenster im Mittelpunkt der Deckenwölbung erhielt. Bei Nacht – und besonders für solche Feste war der Saal bestimmt – empfing er sein Licht von einem großen Kronleuchter, der an einer Kette von der Mitte des Kuppelfensters hernieder hing. Wie üblich konnte er mittels eines Gegengewichtes herabgelassen und wieder hinaufgezogen werden, doch hatte man dies aus Schönheitsgründen außerhalb der Kuppel über das Dach hinweggeführt. Die Ausschmückung des Festgemachs wurde Tripettas Oberaufsicht überlassen; in einigen Dingen jedoch hatte sie sich der überlegenen Umsicht ihres Freundes, des Zwerges, gefügt. Seinem Rate folgend hatte man für diese Gelegenheit den Kronleuchter entfernt. Die Wachstropfen, die nicht zu vermeiden gewesen wären, würden der kostbaren Gewandung der Gäste sehr geschadet haben, andererseits aber konnten in einem überfüllten Raume nicht alle Leute die Mitte, also den Platz unter dem Kronleuchter, meiden. Dafür wurden aber zahlreiche Kandelaber ringsum an den Wänden der Halle aufgestellt und jeder der fünfzig bis sechzig Karyatiden eine Wohlgeruch spendende Fackel in die rechte Hand gegeben.
Die acht Orang-Utans warteten auf Hopp-Froschs Rat mit ihrem Erscheinen geduldig bis zwölf Uhr, bis der Saal von Masken gedrängt voll sein würde. Kaum jedoch war der letzte Schlag der Mitternachtsstunde verhallt, als sie hineinstürmten, vielmehr rollten, denn die hindernden Ketten rissen die meisten von ihnen zu Boden, und wer nicht fiel, stolperte.
Das Entsetzen der Maskengesellschaft war ungeheuer und erfüllte das Herz des Königs mit Entzücken. Wie man vorausgesehen hatte, gab es unter den Gästen nicht wenige, die diese grimmig aussehenden Wesen, wenn auch nicht gerade für Orang-Utans, so doch für wilde Bestien hielten.
Viele der Frauen wurden ohnmächtig vor Schreck, und wäre der König nicht so vorsichtig gewesen, das Waffentragen für diesen Abend zu verbieten, so hätten er und seine Gefährten den Schabernack wohl mit ihrem Blute büßen müssen. So aber trachteten alle nach den Türen. Der König hatte jedoch Befehl gegeben, sie gleich nach dem Eintritt der Affenbande abzuschließen, und einer Anregung des Zwerges gemäß, hatte man diesem selbst die Schlüssel ausgeliefert.
Als der Tumult aufs höchste gestiegen und jeder Gast nur auf seine eigene Rettung bedacht war – denn das Gedränge war inzwischen lebensgefährlich geworden – hätte man sehen können, wie die Kette, die sonst den Kronleuchter trug und nach dessen Entfernung hinaufgezogen worden war, sich allmählich herabsenkte, bis ihr Haken nur noch drei Fuß überm Erdboden hing. Bald darauf geschah es, dass der König und seine sieben Freunde, nachdem sie den Saal nach allen Richtungen durchtaumelt hatten, sich schließlich in dessen Mittelpunkt und unmittelbar unter der Kette befanden. Als sie so standen, ergriff der Zwerg, der ihnen auf Schritt und Tritt gefolgt war und sie zu immer wilderem Gebaren angefeuert hatte, die Kette, an die sie gefesselt waren, genau an der Stelle, wo die beiden Diametrallinien zusammentrafen. Blitzschnell hängte er hier in das Mittelglied den Kronleuchterhaken ein, und augenblicklich wurde durch eine unsichtbare Kraft die Kette so hoch hinaufgezogen, dass der Haken nicht mehr erreichbar war. Diese Aufwärtsbewegung riss die Orang-Utans ganz nahe zusammen; sie standen Gesicht an Gesicht gedrängt.
Inzwischen hatten die Maskengäste sich von ihrer Verblüffung erholt; sie begannen das Ganze als einen wohl vorbereiteten Scherz anzusehen und brachen über die sonderbare Situation der Affen in lautes Gelächter aus.
»Überlasst sie mir!«, kreischte jetzt Hopp-Frosch, mit seiner schrillen Stimme den ganzen Lärm übertönend. »Überlasst Sie mir! Ich glaube ich kenne sie. Wenn ich sie mir nur einmal recht anschauen könnte, ich würde euch gleich sagen, wer sie sind!«
Und über die Köpfe der Menge hinweg kriechend, gelangte er zur Saalwand, nahm einer der Karyatiden die Fackel aus der Hand, kehrte auf demselben Wege wie vorher in die Mitte zurück und sprang mit Affengeschwindigkeit dem König auf den Kopf und kletterte von da an der Kette hinauf. Ein paar Fuß über den Orang-Utans senkte er seine Fackel, leuchtete ihnen ins Antlitz und schrie von neuem: »Ich werde bald heraushaben, wer sie sind!«
Und jetzt, während alle Anwesenden – die Affen mit einbegriffen – sich vor Lachen schüttelten, ließ der Spaßmacher einen schrillen Pfiff ertönen. Die Kette flog etwa dreißig Fuß empor und zog die bestürzten und um sich schlagenden Orang-Utans mit; da hingen sie nun zappelnd genau in halber Höhe des Saales. Hopp-Frosch, der sich an die Kette festgeklammert hatte, verharrte noch in derselben Stellung wie vorher. So als sei nichts geschehen, senkte er seine Fackel zu ihnen hinunter, als bemühe er sich, festzustellen wer sie seien.
So völlig verblüfft war man von diesem plötzlichen Aufstieg, dass wohl eine Minute lang Todesstille herrschte. Da ertönte wieder das leise, scharfe, knirschende Geräusch, das dem König, als er Tripetta den Wein ins Gesicht schüttete, aufgefallen war. Jetzt aber konnte kein Zweifel darüber sein, wo der Laut herkam. Er kam von den Raubtierzähnen des Zwerges, es war ein Knirschen aus seinem schäumenden Mund. Sein Blick flammte mit dem Ausdruck wahnsinniger Wut in die aufwärts gewendeten Gesichter des Königs und seiner sieben Gefährten.
»Aha!« sagte der Spaßmacher. »Aha! Ich fange an zu begreifen, wer diese Leute sind!« Und wie um den König heller zu beleuchten, näherte er die Fackel dem Pelz, in dem jener steckte, so dass der Flachs augenblicklich in heller Garbe aufflammte. In weniger als einer halben Minute brannten die acht Orang-Utans lichterloh. Und drunten kreischte die entsetzte Menge und starrte wie gebannt zu den flammenden Körpern empor, denen sie keine Hilfe bringen konnte.
Endlich wurden die aufwärts leckenden Flammen so stark, dass der Narr, um ihnen auszuweichen, höher hinaufklettern musste, und diese Bewegung machte die Menge einen Augenblick lang stumm. Der Zwerg ergriff die Gelegenheit und sprach noch einmal.
»Jetzt sehe ich deutlich«, sagte er, »welcher Art Leute diese Maskierten sind. Es ist ein großer König mit seinen sieben Ministern, ein König, der sich kein Gewissen daraus macht, ein wehrloses Mädchen zu schlagen, und seine sieben Berater, die seiner schmachvollen Tat Vorschub leisten. Was mich anbetrifft, so bin ich nur Hopp-Frosch, der Spaßmacher, und das ist mein letzter Spaß
Infolge der hohen Brennbarkeit sowohl des Flachses wie des Teers war das Rachewerk schon vollbracht, als der Zwerg seine kurze Rede kaum beendet hatte. Die acht Leichname schaukelten in ihren Ketten – eine stinkende, geschwärzte, ekelhafte, unkenntliche Masse. Der Krüppel schleuderte seine Fackel auf sie herab, kletterte behände bis zur Decke empor und verschwand durch das Kuppelfenster.
Es ist anzunehmen, dass Tripetta auf dem Dach des Kuppelsaales stand, ihrem Freund bei seinem schauerlichen Racheakt Beihilfe leistete und dass sie zusammen ihre Flucht in ihr Heimatland bewerkstelligten. Beide wurden nie mehr gesehen.

 
Zeichnung: James Ensor

***

"Ja aber was hat die Geschichte nun
Außer mit ihrem Namen
Denn mit unserm Frosch zu tun"
Wollte eine von den Damen,
Es war Latona, gar gerissen,
Von ihrem Sohn Apollo wissen.

"Es ist," sprach der, "das alte Lied;
Die Dummheit ist das Bindeglied.

So wie einst die dummen Bauern
In Lykien hatten kein Bedauern
Mit dir, Artemis und mit mir
So beschrieb es Poe uns hier.

Der König hatte mit dem armen
Krüppel Hopp-Frosch kein Erbarmen
Und setzte ihm gar übel zu.
Es kam so wie es kommen muss.
Die Strafe folgte auf den Fuß.
Hopp-Frosch machte es wie du!
Du erinnerst sicher doch
Dich an die dreisten Bauern noch
Die uns kein Wasser gaben
Sondern schändlich und verrucht
Uns den Trunk verdorben haben.
Du hast sie allesamt verflucht
Sodass seitdem als Frösche sie
Fristen ihr Leben irgendwie."

"Ach ja, jetzt verstehe ich!"
Entschuldigte Latona sich,
Mit ein wenig Scham im Ton,
Bei Apollo ihrem Sohn.

****

wird fortgesetzt

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Zur Einstimmung

Bei dem hier unter dem Pseudonym R.W. Aristoquakes virtuell zur Veröffentlichung gebrachten, mehr als einhundertfünfzigtausend Doppelverszeilen umfassenden und mit über 15.000 Zeichnungen versehenen Epos handelt es sich um die umfangreichste Nacherzählung des Homer zugeschriebenen Kriegsberichtes, die jemals niedergeschrieben wurde und nach Auffassung des Autors, um das wichtigste literarische Werk der Neuzeit überhaupt.

Unter dem oben abgedruckten Titel veröffentlicht der noch unbekannte Schriftsteller an dieser Stelle in den nächsten fünf Jahren sein als Fortsetzungeerzählung entstandenes Mammutmachwerk über den antiken Tierkrieg und dessen Folgen für die Menschheit.

Das über zweitausend Jahre alte homerische Epillion, das im Original nur etwa 300 Verszeilen umfasst, wurde von R.W. A., der zehn Jahre lang daran gearbeitet hat, zu einem Mammutwerk aufgebläht, das die Batrachomyomachia mit der Ilias und der Bibel verbindet.

Diese Verknüpfung der drei wichtigsten Werke der abendländischen Literatur, die in etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, dient dem Autor dazu, seine religionsgeschichtliche These zu untermauern, in der er den Frosch als Ursprungsgottheit darstellt und behauptet, dass die Götter der Neuzeit nichts anderes sind als die konsequente Weiterentwicklung der ägyptischen Froschgötter.